Seit 2019 gibt es am USZ einen gemeinsamen Standard für Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (MuM). Diese MuM-Konferenzen tragen zur medizinischen Behandlungsqualität und Patientensicherheit bei [1]. Solche Konferenzen gibt es schon seit über 100 Jahren. Damals dienten sie dem Austausch und der Reflektion über das individuelle ärztliche Handeln und waren als Instrument der Qualitätssicherung angedacht. Heute wird viel eher eine systemorientierte Perspektive eingenommen und MuM werden interprofessionell und interdisziplinär durchgeführt.
In den komplexen Strukturen und Abhängigkeiten in einem Spital braucht es mehr denn je ein gründliches Verständnis für die Zusammenhänge und das Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Die Suche nach kleinsten Abweichungen, die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven und der Einbezug der verschiedenen Expertisen ist dafür essenziell. Auch Vertrauen und Mut zum «Speaking Up» und persönliche Verantwortungsübernahme gehören dazu. Bereits in anderen Hochrisikobereichen besser etabliert ist die Erkenntnis, dass es nicht die Fehler sind, die zum Versagen führen. Es ist vielmehr das Ignorieren der menschlichen Fehlerhaftigkeit und das Unvermögen der Gestaltung entsprechender Systeme, in denen es einfacher ist, das «Richtige» richtig zu tun, weil die menschliche Fehlerhaftigkeit, aber auch die menschlichen Fähigkeiten entsprechend berücksichtigt sind.
Im Spital gibt es noch weitere Formate, die der Qualität und Patientensicherheit dienen. Klassische klinisch-pathologische Fallkonferenzen haben zum Beispiel die Vermittlung von Lehrinhalten für die Ausbildung bzw. Fort- und Weiterbildung im Fokus. Bei interdisziplinären Tumorkonferenzen (analog Transplantationskonferenzen o.ä.) liegt der Schwerpunkt auf der bestmöglichen (Weiter-)Behandlung von Patient*innen (siehe Leitfaden Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen, BÄK, 2016). CIRS ist das Berichts- und Lernsystem zum Melden von Ereignissen, die relevant sind für die Patientensicherheit (sogenannte «near misses»). CIRS-Systeme ermöglichen das frühzeitige Erkennen von potenziellen Risiken und das Lernen aus Beinahe-Schäden (near misses). An den MuM werden insbesondere Komplikationen, unerwartete Behandlungsverläufe und Todesfälle besprochen. Dadurch können auch Abläufe und Standards lokal in den Kliniken wie in der ganzen Organisation optimiert werden. Beispiele hierfür sind Verbesserungen in der Kommunikation bei Patientenübergaben, von Organisation und Prozessen wie Alarmierungsprozessen, der Einarbeitungskonzepte für neue Mitarbeitende, des Auslösens von speziellen Fachweiterbildungen und Teamtrainings sowie die Stärkung von schnittstellenübergreifender Zusammenarbeit.
Ein 2018 durchgeführtes Audit veranlasste das USZ, MuM-Konferenzen regelmässig und nach einheitlichen Grundsätzen durchzuführen und die Umsetzung nach Best Practice durch Audits mit Feedbackgesprächen weiterzubringen. Eine im Jahr 2017 durchgeführte Befragung von Chefärzten der Stiftung Patientensicherheit Schweiz zeigte ebenfalls nationalen Verbesserungsbedarf (2017).
Komplexe Lernfälle: detaillierte Erfassung und interprofessionelle und lösungsorientierte Bearbeitung der Ursachen
In der Ursachenanalyse geht es neben den individuellen Perspektiven um ein besseres Verständnis der beitragenden Systemfaktoren, wodurch unsichere Handlungen und Fehler entstanden sind. MuM fördern die Verbesserung der Zusammenarbeit, das Systemdenken und eine konstruktive Fehlerkultur, indem offen über schwierige und komplexe Situationen und Verläufe gesprochen wird. Oft sind verschiedene Fachdisziplinen und Berufsgruppen beteiligt und das Einbringen der unterschiedlichen Perspektiven zum Verlauf ist wichtig. In einzelnen Kliniken wurden auch schon Patienten oder zuweisende Ärztinnen und Ärzte mit einbezogen. Für eine bestmögliche Versorgung, auch über Versorgungsgrenzen hinweg, ist das eine grosse Chance.
Fehler und das Zusammenspiel verschiedener beitragender Faktoren helfen, die Zusammenhänge früh zu verstehen, um als System schnell zu lernen. Hierfür muss man das Individuum, das Team, die Organisation und das Gesamtsystem betrachten und Verbesserungen für alle ableiten, damit sich tatsächlich etwas verändert.
Für das erforderliche Methodenwissen und Systemverständnis stehen den Mitarbeitenden Kurse, Workshops, Netzwerktreffen, Vorträge, individueller Support und verschiedene andere Tools zur Verfügung. Seit 2017 gibt es zum Beispiel die multiprofessionelle Vortragsreihe «Safety, Risk & Quality» (SRQ). Im letzten Jahr ging es dabei vor allem um das Lernen aus Fehlern und medizinisch schwerwiegenden Ereignissen, so wie dies in den MuM vorgesehen ist.